...hört gerade Antke Rávik Strubel zu

Für Traumata gibt es keine Sprache. Sie kreist nur um den Kern, gelangt aber nie zu ihm hinab.

 

Gestern war Antje Rávik Strubel zu Gast im Literaturhaus Freiburg und stellte ihren Roman „Blaue Frau“ vor, der im letzten Jahr mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichnet worden ist.

 

Es ist die Geschichte von Adina, einer jungen Frau, die vergewaltigt wird und ihrem Peiniger Monate später wiederbegegnet. Es ist die Geschichte eines Traumas, das sich tief in die Seele dieser jungen Frau hineingefressen hat und sie zersetzt. Und es ist die Geschichte männlicher Machtstrukturen in einer Gesellschaft, in der sexuelle Übergriffe das sicherste Verbrechen für Täter sind, da sie kaum angezeigt und noch weniger verurteilt werden.

 

Der moralischen und juristischen Ungerechtigkeit wird mit der offenen Gestalt der Blauen Frau zumindest eine poetische Gerechtigkeit gegenübergestellt. Sie ist ein an Luft- & Wasserwesen angelehntes Geschöpf, das in Zwischenszenen eine weitere Reflexionsebene aufschließt, auf der die Ich-Erzählerin ein lyrisches Zwiegespräch führt.

 

Gesprochen wurde bei der Lesung aber auch über Schreibprozesse. Acht Jahre lang, so Strubel, habe sie mit der Hauptfigur Adina gestritten, habe sie in eine Wohnung in Helsinki gesteckt und wusste zunächst nicht, worüber sie schreiben solle. Dutzende Seiten habe sie geschrieben und wieder verworfen, bis sie sie in der Sprache gefunden habe. Und das merkt man dem Text an, denn Sprache scheint eine herausragende Rolle im Roman zu spielen.

 

Eine wunderbare Lesung, die ungeheure Lust auf die Lektüre geweckt hat.

 

 

 

Antje Rávik Strubel: Blaue Frau

Roman

Hardcover, 432 Seiten

S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2021