...liest gerade "Der Report der Magd" von Margaret Atwood

Der Präsident wurde erschossen - und mit ihm gleich der ganze Kongress.
Folgerichtig wird der Notstand ausgerufen und die Verfassung aufgehoben.
Nur wenige demonstrieren gegen die immer drastischeren Verfügungen und nur wenige lehnen sich auf, als schließlich auch die Rechte der Frauen beschnitten werden.
Und plötzlich ist die da - die Diktatur.

 

Desfred (im Original: Offred) ist 33 Jahre alt. Sie arbeitet als Magd bei einem Kommandaten. Da die Geburtenzahlen schon seit langem zurückgehen, vermutlich durch die erhöhte Radioaktivität in der Atmosphäre, besteht ihre einzige Aufgabe darin, Kinder zu bekommen. Und so soll sie dem Kommandaten einen Spross schenken. Beim zeremoniellen Akt legt sich die Ehefrau des Kommandanten hinter die Magd und hält sie fest, so dass jene symbolisch geschwängert wird und die Magd nur als Vermittlerin gilt, die das Kind des Ehepaares austragen soll.

 

Mädge gibt es viele in dieser schönen neuen Welt und sie alle führen ein karges Leben. Nach der Indoktrination durch sogenannte Tanten, die Vertrauenspersonen und (Um)Erzieherinnen in einem sind, sollen die jungen Frauen von Haus zu Haus geschickt werden und ihren Vorstehern Nachkömmlinge schenken. Beziehungen zu anderen Menschen sind ihnen verboten, überall lauern Wächter und Augen, die Gesetzesübertretungen ahnden. Als Abschreckungen dienen nicht nur die Kolonien, in denen die Verbannten unter lebensunwürdigen Bedingungen arbeiten müssen, sondern auch öffentliche Hinrichtungen.

 

Desfred lebt in einem diktatorischen Patriarchat, wenn auch nicht alle Männer über gleiche Rechte verfügen. Erinnerungen bestürmen sie manches Mal, Erinnerungen an das alte Leben, das Leben mit ihrer Mutter, mit ihrem Freund, mit ihrem Kind. Seit ihrem Fluchtversuch vor ein paar Jahren weiß sie nicht, wie es ihnen ergeht oder ob sie überhaupt noch leben. In ihrer ausweglosen Situation denkt sie darüber nach, sich das Leben zu nehmen. Doch dann bietet sich plötzlich unverhofft eine Gelegenheit, dem Albtraum zu entkommen. Fragt sich nur, ob sie die Chance nutzen wird.

 

Bereits 1985 erschienen, wird "Der Report der Magd" gerne mit "1984" von Orwell und "Brave New World" von Huxley in einem Atemzug genannt. Haben mich die ersten beiden Romane vor Jahren noch fasziniert, hat mich die Geschichte um Desfred nicht recht packen und berühren können. Womöglich ist es der Tasache geschuldet, dass ich Dystopien immer weniger abgewinnen kann, da sie einem immer gleichen Schema folgen. Die Charaktere waren mir auf jeden Fall zu blass, die Geschichte, besonders hinsichtlich des Gesellschaftsmodells, um das sich hier ja alles dreht, zu dürftig. Allerdings hat mich das Ende (hervorragend!) mit dem Roman versöhnt und die bohrenden Fragen nach Erzählhaltung und Absicht des Reportstils beruhigt.

 

Auch wenn ich nicht so begeistert bin, wie der große Rest der Leserschaft, ist der Roman nichtsdestotrotz eine gelungene Dystopie, die besonders durch den Fokus auf ein diktatorisches Patriarchat und damit auf die Unterdrückung der Frau leider nichts an ihrer Aktualität eingebüßt hat.

 

 

 

Margaret Atwood: Der Report der Magd

Roman

Taschenbuch, 416 Seiten

Piper Verlag, München 2017