...liest gerade "Allegro Pastell" von Leif Randt

Das ist die Geschichte von Tanja und Jerome, zweier Kinder der 80er Jahre.
Sie ist Autorin eines vielbeachteten Romans. Er ist Webdesigner.
Zusammen sind sie ein Paar, ein Paar, das sich liebt, ein Paar, das sich verliert.

 

Tanja lebt im hippen Berlin, fliegt zu Lesungen, geht auf Partys, nimmt hin und wieder Drogen, wenn auch nicht mehr so exzessiv wie früher einmal. Geleitet von hohen Idealen, verstößt sie nur allzu oft gegen sie, doch diesen Widerspruch findet sie normal.

 

Jerome hingegen lebt in Maintal, im alten Haus seiner Eltern, das er gekauft hat. Er liebt Ordnung und Struktur. Auch er geht noch auf Partys, doch auch sein Drogenkonsum hat mit den Jahren abgenommen. Tanja und Jerome führen eine Fernbeziehung, offen und liberal, in der jeder machen kann, was er möchte, eine Beziehung, in der die Grenzen nicht wirklich abgesteckt sind. Sie geben sich Raum, weil sie sich lieben und so läuft alles gut, bis irgendwann alles aus dem Ruder läuft.

 

Auf den ersten Blick ist es eine Liebesgeschichte, wie sie banaler nicht sein könnte. Und doch steckt viel mehr in diesem kurzen Roman, der gerade seine Runden durch sämtliche Blogs und Feuilletons dreht. Denn diese Erzählung versucht sich als Geschichte einer ganzen Generation aufzuspielen. Auch wenn natürlich keine stringente Homogenität innerhalb einer Generation vorherrscht, verbindet doch viele Menschen derselben Generation ein Gefühl oder ein Zustand, der sie und/oder ihr Umfeld geprägt hat.

 

Und so stehen hier die Kinder der 80er im Mittelpunkt, die sogenannte Generation Y ("Why"). In dieser gängigen Zuschreibung liegen bereits die Eigenschaften dieser Generation, die der Erzähler wunderbar und zugleich äußerst nervig nachzeichnet. Jedes Wort, jede Aktion, jede Bewegung wird hinterfragt, wird bis zur Unendlichkeit überdacht, analysiert, verglichen, bewertet und berechnet. Daraus entsteht eine Angewohnheit, die Angewohnheit, sich nicht richtig festlegen zu können, denn alles kann man auch von einem anderen Standpunkt aus betrachten. Man schwankt hin und her, möchte sich alles offen halten, denn man will nicht auf Genaueres festgelegt werden. Man kann sich nicht entschließen, denn immer wühlt der Gedanke im Kopf herum, dass noch eine bessere Chance im Leben kommen könne. Alles ist Allegro (italienisch: fröhlich, ausgelassen; oder in der Musik: schnell) und Pastell (zart, blass) zugleich.

 

Hier muss ich wirklich einmal gestehen: Die Lobeshymnen sind absolut berechtigt. Vielleicht berührt mich der Roman auch so sehr, weil er genau meine Generation nachzeichnet und ich mich selbst und andere nur zu gut in vielen Denkmustern wiedererkenne. Der Ton ist lässig und witzig, die Geschichte hingegen melancholisch und nervig aufgrund der Verhaltensweisen und Entscheidungen, die die Protagonisten treffen. Aber der Roman ist vor allem eines: absolut lesenswert!

 

Am Ende stellt sich mir eigentlich nur die Frage: Wer ist dieser Leif Randt? Warum habe ich noch nie etwas von ihm gehört?

 

 

 

Leif Randt: Allegro Pastell

Roman

Hardcover, 288 Seiten

Kiepenheuer & Witsch Verlag, Köln 2020