Homo opportunensis
Ich habe – ach! – nie ’was kapiert,
Doch mit Bemüh’n ‚Mein Kampf’ studiert!
Da saß ich nun, ich armer Hund,
Und wartete auf meine Stund’.
Ich war so unwichtig und klein,
Wollt’ aber doch ’was Höh’res sein.
Hab’ mich versteckt in Volkes Mitte
Und saugte stets an Staates Titte.
Denn nichts hab’ ich aus mir geschafft,
Allein das Deutschsein gab mir Kraft.
Fand keinen Job und keine Frau,
Die meiste Zeit war ich eh blau.
Ich kann nichts und das nicht mal gut,
Lang staute sich in mir die Wut.
Doch nun ist meine Zeit gekommen,
Ich fühl’ mich endlich ernst genommen.
Die Minderwertigkeitskomplexe
Verwandle ich in dumpfe Hetze!
Nun kann ich grölen und frei hetzen,
Ich kann sogar die Messer wetzen!
Kann Brände legen, Leute schlagen,
Der Staat geht mir nicht an den Kragen.
Kann Hass verbreiten ganz enthemmt,
Auf dass das nächste Heim bald brennt.
Auf dass das nächste Messer sticht
Und die Gesellschaft bald zerbricht.
Was anders ist, das muss krepieren,
Jetzt kann ich’s öffentlich skandieren!
Jetzt wird mir sogar applaudiert,
Zusammen hetzt sich’s ungeniert.
Ja, in der Masse ist’s ein Rausch,
Noch besser gar als Frauentausch.
Den Selbsthass kann ich projizieren,
Die Schuldigen nun diffamieren!
Die Gutmenschen und Ausländer,
An ihnen räch’ ich mich bald sehr!
Politiker und Journalisten,
Sie alle steh’n auf meinen Listen.
Und allen, die mich einst verlacht,
Den’ zeig’ ich meine neue Macht.
Ich stifte an zu Brand und Mord,
Ich wiegle auf allein durchs Wort!
Jetzt steh’ ich hier, kenn’ kein Tabu,
Mein nächstes Opfer – das bist DU!